
Biologische Wertigkeit einfach erklärt
Wenn du dich mit Ernährung und vor allem Sport und Ernährung beschäftigst, bist du gewiss schon mal über den Begriff Biologische Wertigkeit (BW) von Proteinen gestolpert. Aber was genau soll das eigentlich sein? Die BW eines Proteins sagt aus, wie gut Eiweiß aus der Nahrung in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann. Sozusagen ein Quality-Check deiner Proteinquellen auf dem Speiseplan. Das ist vor allem für Sportler*innen wichtig, die nach der Trainingseinheit nicht nur eine bestmögliche Regeneration der Muskulatur – welche zu einem großen Teil aus Proteinen besteht – möchten. Für sie ist es immens wichtig, ausreichend Eiweiß zuzuführen, um Muskelwachstum zu garantieren. Um beurteilen zu können, welches Protein welche Wertigkeit besitzt, wurde das Hühnerei willkürlich auf eine BW von 100 gesetzt – als Orientierungspunkt sozusagen. Kein Protein kann vom Körper zu 100% “umgesetzt” werden. Damit ist “Ei100” mit seiner Wertigkeit relativ und tatsächlich schon fast an den Haaren herbeigezogen. Wird ein zugeführtes Protein besser verwertet als das Hühnerei, hat es eine BW von über 100. Wird es hingegen schlechter verwertet, liegt der Wert unter 100. Nahrungsproteine mit höherer BW können besser in körpereigenes Protein umgewandelt werden. Somit benötigst du hier auch weniger, um deinen Bedarf an Aminosäuren zu decken. Bedenke jedoch: die BW eines Nahrungsproteins sagt nicht aus, wieviel Eiweiß im zugehörigen Lebensmittel steckt.
💡 Das Wichtigste in Kürze
- Biologische Wertigkeit (BW): Maß für die Effizienz, mit der der Körper Nahrungsprotein in körpereigenes Protein umwandeln kann. Vollei dient als Referenz (BW = 100).
- Reality check: BW-Messungen beruhen oft auf Extrembedingungen (z. B. Proteinfasten), die mit dem alltäglichen Essverhalten kaum etwas zu tun haben -> Genauigkeit und Aussagekraft der BW können stark schwanken
- DIAAS & PDCAAS: 2 Moderne Bewertungsmethoden, berücksichtigen Aminosäurenprofil und Verdaulichkeit, oft aussagekräftiger als die klassische BW.
- Single and fabulous – Pflanzenproteine, die alleine bereits eine hohe BW aufweisen: z.B. Kartoffelprotein BW76-89, Quinoa BW 83
- Couple goals: Durch Kombination bzw. Pärchenbildung (z. B. Hülsenfrüchte + Getreide) lässt sich die Wertigkeit stark verbessern – vor allem bei pflanzlichen Proteinen
🧷 Inhaltsverzeichnis
- 1. Wie wird die biologische Wertigkeit berechnet?
- 2. BW: Das Nonplusultra?
- 3. Andere Messmethoden: PDCAAS und DIAAS
- 4. Relevante Proteinquellen im Detail
- 5. Tierisch yay, pflanzlich ney?
- 6. Pimp my plant protein: Einfluss von Verarbeitung
- 7. Fazit
- 8. FAQ
1. Wie wird die biologische Wertigkeit berechnet?
Was die BW ist wissen wir nun mittlerweile. Aber wie wird sie berechnet? Es ist wichtig festzuhalten, dass Proteine Stickstoffträger*innen sind. Sie bestehen aus Aminosäuren, von denen jede mindestens eine Stickstoffgruppe enthält. Dieser Stickstoff ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Proteinen gegenüber Kohlenhydraten und Fetten, die keinen Stickstoff enthalten. Sprich: Wir nehmen Stickstoff über unseren Eiweißkonsum zu uns.
Sprich: Die Stickstoffmenge, die im Körper bleibt, wird geteilt durch die Menge an Stickstoff, die man mit dem Nahrungsmittelverzehr aufgenommen hat. Anschließend wird das Ergebnis mit 100 multipliziert. Lang war die BW das zentrale Maß für Proteinqualität. BW wird als Stickstoffbilanz in Extremversuchen (z. B. Proteinfasten) gemessen: Über mehrere Tage wird den Testpersonen Stickstoff durch Proteinfasten “entzogen” bzw. nicht zugeführt. Nach der Fastenphase wird den Proband*innen Testprotein in unterschiedlichen Mengen zugeführt, z.B. 0,5 Gramm/kg Körpergewicht pro Tag. Danach wird die Stickstoffbilanz gemessen. Das heißt: wie viel Stickstoff scheidet der Körper über Urin, Schweiß und Kot wieder aus.
2. BW: Das Nonplusultra?
Klingt alles erstmal sehr professionell und vertrauenswürdig. Aber wie sexy ist die BW genau und wie hoch ist ihre Aussagekraft? Die Testbedingungen zur Messung der BW sind sehr weit vom alltäglichen Konsumverhalten entfernt. Alleine schon die Menge an Protein, dass du zu dir nimmst, verändert den Wert eines Proteins. Beispiel: Eine Testperson konsumiert anstatt 0,25 Gramm / Kilogramm Körpergewicht pro Tag 0,4 Gramm Eiprotein. Damit fällt die BW von 90 auf 60. Die BW sagt nichts darüber aus, wo und wie die Aminos in deinem Körper verwendet werden. Ebenfalls verändern Krafttraining und Kalorienzufuhr deine Stickstoffbilanz. Somit ein klares Nein. Es gibt jedoch andere Messmethoden, die weitaus genauere Werte liefern.
3. Andere Messmethoden: PDCAAS und DIAAS
- PDCAAS (Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score): Misst, wie gut das Aminosäurenprofil eines Proteins zu den menschlichen Bedürfnissen passt – und berücksichtigt zusätzlich, wie viel davon im Darm verdaut wird. → Skala geht von 0 bis 1 (bzw. 0–100 %), viele tierische Proteine erreichen den Maximalwert 1, pflanzliche oft etwas weniger.
- DIAAS (Digestible Indispensable Amino Acid Score): Eine neuere Methode, die noch genauer ist: Sie bewertet die Verdaulichkeit einzelner essentieller Aminosäuren direkt im Dünndarm (statt wie beim PDCAAS im gesamten Verdauungstrakt). → Dadurch werden Unterschiede zwischen Proteinquellen besser sichtbar, z. B. schneiden viele pflanzliche Proteine bei DIAAS niedriger ab als bei PDCAAS.
4. Relevante Proteinquellen im Detail
Lebensmittel | BW | Bemerkung |
Vollei | 100 | Standard zur Proteinbemessung |
Molkeprotein (Whey) | 104-110 | im Sportbereich beliebt |
Rindsmilch | ca. 130 in Kombi mit Ei | Besonders hohe BW durch Kombi |
Rindfleisch | ca. 92 | ökologisch, gesundheitlich und ethisch bedenklich |
Thunfisch | ca. 92 | ökologisch, gesundheitlich und ethisch bedenklich; reich an Omega-3 |
Kartoffelprotein | 76-98 | sehr hohe BW |
Soja | 74-86 | hohe BW; Allergieproblematik |
Quinoa | ca. 83 | Pseudogetreide mit vollständigem Aminosäurenprofil |
Reisprotein | ca. 81 | in Komibnation mit Erbsenprotein sehr hohe BW, vergleichbar mit Whey-BW |
Bohnen + Mais in Kombi | ca. 99 | sehr hohe BW in Kombi |
5. Tierisch yay, pflanzlich ney?
Scheint so, als wären tierische Proteine besser geeignet für den menschlichen Körper, weil sie mit einer höheren BW bestechen im Vergleich zu pflanzlichen Proteinquellen. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Tierische Eiweißquellen sind mit gesundheitlichen, ethischen und ökologischen Nachteilen verbunden:
- Gesundheitliche Aspekte: Viele tierische Proteinquellen (z.B. rotes Fleisch, Wurstwaren) enthalten oft viele gesättigte Fettsäuren und Cholesterin, was mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Stark verarbeitete Fleischprodukte gelten zudem als krebserregend (WHO-Klassifikation Gruppe 1).
- Ökologische Belastung: Die Produktion tierischer Proteine verursacht deutlich mehr Treibhausgas-Emissionen, Wasserverbrauch und Flächenbedarf als pflanzliche Alternativen. Rindfleisch z.B. ist eine der ressourcenintensivsten Proteinquellen.
- Ethische & Nachhaltigkeitsbedenken: Massentierhaltung ist eine Vollkatastrophe für jedes einzelne Tier, nicht nur körperlich sondern auch psychisch! Massenhafter Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung führt zu Resistenzentwicklung von Keimen.
6. Pimp my plant protein: Einfluss von Verarbeitung
- Be a Combination-Babe: Nahezu jede pflanzliche Proteinquelle hat limitierte Aminosäuren. Durch Kombinationen (Food-Pairings) ergänzen sich die Aminosäurenprofile: Hülsenfrüchte (z.B. Erbsen, Linsen, Kichererbsen) + Getreide (z. B. Reis, Mais, Weizen) → BW steigt stark (Bohnen + Mais ≈ BW 99).
- Diversity is key: Wenn du unterschiedliche pflanzliche Proteinquellen über den Tag verteilt konsumierst (Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Pseudogetreide), verbessert dies die Aminosäurenbilanz auch ohne exakte „Food Pairings“ bei jeder Mahlzeit.
- Verarbeitung & Zubereitung: Ein klein wenig Küchenmagie durch Einweichen, Keimen, Fermentieren oder Kochen bauen natürliche Hemmstoffe (z. B. Phytinsäure) ab und steigert somit die Verdaulichkeit. Beispiel: gekeimter Quinoa hat eine bessere Proteinverfügbarkeit als die Rohform.
7. Fazit
Die biologische Wertigkeit liefert einen guten ersten Überblick über die Qualität von Proteinen, ist aber in ihrer Genauigkeit begrenzt. Sie basiert auf Stickstoffbilanzen unter Extrembedingungen und spiegelt den normalen Ernährungsalltag kaum wider. Für die Praxis wichtiger sind die Gesamtproteinaufnahme, die Vielfalt der Quellen und moderne Verfahren wie PDCAAS oder DIAAS, die die Verdaulichkeit und das Aminosäurenprofile realistischer abbilden. Kurz gesagt: BW ist nicht ganz so sexy, wie die Medien dir vielleicht zunächst weismachen wollen. Sie ist ein nützliches Orientierungsmaß, aber allein nicht ausreichend, um die tatsächliche Proteinqualität im Alltag zu bewerten.
Quellen:
https://www.akademie-sport-gesundheit.de/magazin/biologische-wertigkeit.html?
https://maxinutrition.de/maxi-blog/post/was-ist-biologische-wertigkeit
https://www.cerascreen.de/blogs/gesundheitsportal/biologische-wertigkeit
https://dieringe.com/de/blog/biologische-wertigkeit
https://science-fitness.de/ernaehrung/biologische-wertigkeit-protein-eiweiss
Häufig gestellte Fragen
Nein – Verdaulichkeit, Aminosäurenprofil und individuelle Bedürfnisse sind ebenso wichtig.
Weil einzelne essentielle Aminosäuren (z. B. Lysin im Weizen) oft limitierend sind.
Nein. Bei Whey fallen der ökologische, ethische und gesundheitliche Aspekt stark ins Gewicht. Zudem lässt durch abwechslungsreiches Proteinkombinieren eine nahe gleiche Wertigkeit rein pflanzlich erreichen.
Ja – durch Kombinationen, richtige Zubereitung und hochwertige pflanzliche Auswahl.
Abhängig von Alter, Geschlecht, Konstitutionstyp und Aktivitägslevel variiert der Bedarf stark zwischen 0,6 Gramm/Kilogramm Körpergewicht am Tag bis hin zu 2 Gramm.